Ruhezeit

Aus Schäfer SAC
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Vorzeitige Beendigung der Ruhezeit von Grabstätten

Einige Opfer von sexuellen Missbrauch fordern, dass das Grab des Täters unverzüglich eingeebnet wird, ohne Rücksicht auf die Ruhezeit. Eine solche Forderung ist nicht nachzuvollziehen, denn vom Grab geht keine Gefahr für die Opfer aus. Von einem Grab kommt niemand mehr zurück, von einem Gefängnis sehr wohl. Damit fordern die Opfer von sexueller Missbrauch mit der Auflösung des Grabes ihrer Täter mehr, als unser Rechtssystem vorsieht, Sie fordern damit nach dem Tod der Täter das, was sie während deren Lebzeiten nicht erreichen können, die Damnatio memoriae (Verdammung des Andenkens).

Die Forderung nach vorzeitiger Einebnung eines Tätergrabes erinnert an das mittelalterliche Verhalten der Menschen, denen es nicht genug war, dass der Verurteilte hingerichtet wurde. Es wurde z.B. der verkohlte Leichnam zu Staub verkleinert und in ein Gewässer geschüttet[Anm. 1] oder andersweitig geschändet.[Anm. 2]

Mit dieser Forderung verlassen diese Opfer unser Rechtssystem und unsere Kultur, die auch den Straftätern und Verbrechern noch Menschenwürde zugesteht. Diese drückt sich auch darin aus, dass wir diesen Menschen nach ihrem Tod ein Grab mit ihrem Namen geben. Dies erfolgte auch mit Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Enslin, der Führungsspitze der linksextremistischen Terrororganisation Rote Armee Fraktion (RAF), die am 18.10.1977 nach der Befreiung der Passagiere der Lufthansa-Maschine „Landshut“ kollektiven Suizid beging. Ihre Grabstätte existiert nach 45 Jahren noch immer.

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die Rede von Oberbürgermeister Manfred Rommel, in der er sagte: "Mit dem Tod muss alle Feindschaft enden".[1]

Der evangelische Pfarrer Bruno Streibel, der die Beerdigung leitete, sagte: "Jeder Mensch hat eine unzerstörbare Würde, unabhängig davon, ob er tugendhaft oder kriminell ist."[1]

Die gleiche Haltung drückte Eduard Kreer aus, der bis 1992 auf diesem Stuttgarter Friedhof arbeitete. Er wurde häufig von Journalisten gefragt: „Wo sind die Terroristen begraben?“ Er antwortete stets: „Terroristen gibt es hier nicht, nur Tote.“[1]

Die Rechte der Opfer enden dort, wo die Rechte der Täter beginnen. In ihrer grenzenlosen Wut steht es den Opfern (sexueller Gewalt) nicht zu, eine vorzeitige Auflösung des Grabes ihres Täters zu fordern. Damit werden die Opfer selbst zum Täter.[Anm. 3] Sie vergehen sich damit an der Würde des Toten und der Kultur, in der wir leben. Sie vergehen sich auch an dem Grundrecht der Gleichheit.[Anm. 4]

Täterschutz und Opferschutz sollten daher die Gesellschaft wie auch die Justiz in gleicher Weise im Blick haben. Bei allem Unrecht, was die Opfer zu erleiden hatten, darf es nicht geschehen, dass Opfer das Recht brechen und damit selbst zum Täter werden.

Ende 2022 waren nur in den Bestattungsgesetzen (BestG) zweier Bundesländern eine Verkürzung der Ruhezeiten genannt:

Die Mindestruhezeit nach jeder Bestattung beträgt 20 Jahre. Die untere Gesundheitsbehörde kann

1. für einzelne Friedhöfe oder Teile davon eine längere Mindestruhezeit nach Erdbestattungen festlegen, wenn anderenfalls für die Umgebung eine gesundheitliche Gefahr zu erwarten ist, 2. eine kürzere Mindestruhezeit festlegen, wenn ein öffentlicher Belang nicht entgegensteht, und 3. im Einzelfall eine Ausnahme von der Einhaltung der Mindestruhezeit zulassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und ein öffentlicher Belang nicht entgegensteht. (§ 14 BestG Niedersachsen)

Der Friedhofsträger kann für Aschen von Personen, die nach Vollendung des zehnten Lebensjahres gestorben sind, in satzungsmäßig festgelegten Einzelfällen die Mindestruhezeit auf zehn Jahre verkürzen. (§ 6 Abs. 3 BestG Saarland)
  • In Niedersachsen kann die Gesundheitsbehörde eine Verkürzung der Ruhefrist zulassen, wenn dem kein "öffentlicher Gelang" entgegensteht.
  • Im Saarland kann nur das Urnengrab auf 10 Jahre verkürzt werden.


Anhang

Anmerkungen

  1. Jeanne d’Arc (Jungfrau von Orleans) (1412-1431) wurde am 30.05.1431 auf dem Marktplatz von Rouen verbrannt. Ihre Asche wurde in die Seine gestreut.
    Jan Hus (1370-1415) wurde am 06.07.1415 in Konstanz verbrannt und die Asche in den Rhein gestreut.
    Mit diesem Handeln wollte man einerseits verhindern, dass es vom Verurteilten Reliquien gibt und damit eine Verehrung durch ihre Anhänger. Andererseits soll es für diese Verurteilte keine Auferstehung von den Toten geben, da Gott selbst in seiner Allmacht die einzelnen Staubkörner zu einem Leib zusammen setzen könne, so der Glaube der damaligen Zeit.
  2. Nach ihrer Enthauptung wurde der Kopf von Charlotte Corday vom Henkersknecht geohrfeigt.
  3. Der Verfasser weiß von Opfer sexueller Gewalt, die auf die Gräber ihrer Täter urinieren. Dies dürfte den Tatbestand der Grabschändung erfüllen.
  4. Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin haben nach 45 Jahren noch immer eine gepflegte Grabstättte.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Frank Buchmeier: Endstation Dornhaldenfriedhof. In: Stuttgarter Zeitung (30.12.2012) Nach: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.deutscher-herbst-1977-endstation-dornhaldenfriedhof.81fada0e-072e-473a-b8a1-edfd4345c65f.html Zugriff am 06.06.2022.