Codó

Aus Schäfer SAC
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Auf dieser Seite wird über die Grenzen Deutschlands hinaus auf die Kirche in Codo im Norden Brasiliens geblickt. Die Gebrüder Wasensteiner sind dort seit den frühen 1990-er Jahren tätig. Sie haben ein Pfarrgebiet, das sich fast mit der Größe des Bistums Augsburgs vergleichen lässt.

Die Texte wurden mit Zustimmung der Verfasser hier veröffentlicht, jedoch ohne Bilder.

Weihnachtsbrief 2017

Liebe Freunde in Deutschland,

Weihnachten steht wieder vor der Tür, bzw. inzwischen bereits hinter der Tür……. Was gibt es zu erzählen? Nicht nur Gutes: “Das Volk, das im Dunkel wandert,” sieht noch kein grosses Licht am Horizont: Unsere Rechtsregierung schraubt alle sozialen Errungenschaften wieder zurück. Um seine Ziele durchzusetzen muss unser Staatspräsident Temer die Politiker “kaufen” und Millionenbeträge an Senatoren und Bundestagsabgeordnete zahlen, die im Erziehungs- und Gesundheitswesen fehlen. Korruption steht an der Tagesordnung. Wie immer zahlen die Armen die Krise. Täglich mehrt sich die Zahl der Arbeitslosen. Vermehrt klopfen Väter, die von heute auf Morgen ihren Arbeitsplatz verloren haben, ans Pfarrhaus und bitten um Arbeit, Mütter aus der Gemeinde betteln um Nahrungsmittel und sagen, dass sie nicht einmal puren Reis für die Kinder zum essen haben, einfach gar nichts mehr. Das tut weh. Bereitet schlaflose Nächte. Jesus ist wie damals ausgeschlossen. An den Rand gedrängt, schuldlos verurteilt. Heute wie damals trägt er in den Armen die Schuld der anderen, muss ausbaden, was andere verbrochen haben.

Aber, Gott sei Dank, gibt es auch viel Solidarität. In unseren Gottesdiensten werden Lebensmittel gesammelt, die unter den Armen verteilt werden. Man ist “ein Herz und eine Seele”, “wenn ein Glied leidet, leiden alle”, sagt uns der Heilige Paulus. Diese Sensibilität der Armen für die Nöte des noch Ärmeren ist Gott sei dank eine grosse Qualität unserer Gemeinde, ein Zeichen der Gegenwart Gottes in den Herzen der einfachen Menschen.Menschwerdung Gottes unter uns.

Ich möchte noch ein ein weiteres Hoffnungszeichen nennen: Spricht man oft von der Krise, in der die Kirche sich befindet, ist unsere Kirche in Brasilien, in Maranhão, in der Diözese ein Zeichen der Hoffnung für viele Menschen. Wir hatten Bischofsvisitation vom 25. bis 29. Oktober in unserer Pfarrei São Raimundo. So alle fünf Jahre besucht unser Diözesanbischof jede Pfarrei seiner Diözese Coroatá, zu der unsere Pfarrei gehört. Das ist auch nicht so schwierig, hat doch unsere Diözese nur 23 Pfarreien und etwas über dreissig Priester.Ende Oktober war also Visitation in unserer Pfarrei São Raimundo. Dom Sebastião, geboren und aufgewachsen in unserem Bundesstaat Maranhão, ist ein leutseliger, feinfühliger und demütiger Bischof. Die Leute lieben ihn. Er spricht die Sprache der einfachen Menschen und kennt ihre Probleme. Er ist einfach sehr human. Ein wirklicher Hirte, Freund und Mensch.

Wir arbeiteten im Pfarrgemeinderat ein volles Programm aus, das er auch voll erfüllte.

Am Mittwoch, den 25. Oktober begann der Pastoralbesuch des Bischofs. Er kam allein mit seinem “Volks”-wagen. Ein gemeinsames Mittagessen mit ihm fand in einer neuen religiösen Lebensgemeinschaft statt, die sich vor einigen Jahren in unserer Pfarrei entwickelte. Dann besuchten wir eine Rehabilitierungsfarm für Drogen- und Alkoholabhängige, die Padre Orlando, mein erster pallottinischer Kaplan, auch in unserer Pfarrei gründete.

Dann Messe, Dialogpredigt und anschliessend Saft mit Kuchen in einer unserer vielen Kapellen rundeten den Tag ab. Keine Presse, keine Medien, keine Sicherheitskräfte, ja oft nicht einmal Lautsprecher und Mikrofon. Auch kein Zeremoniar, Fahrer oder sonst wer.

Der Donnerstag Vormittag gehörte der Inspektion des Sekretariats, der Bücher und Dokumente der Pfarrei, sowie Besuch der Kapellen und Katechesehäuser im Stadtbereich der Pfarrei. Wir zwei fuhren mit unserem Pickup. Nachmittags besuchten wir die Kinderprojekte unserer Pfarrei: mehr Leben und mehr Würde durch Liebe und Entwicklung der Fähigkeiten der Kinder. Freitag und Samstag fuhren wir mit unserem Toyota ins Interior, um die Basisgemeinden dort zu besuchen. Es waren frohe Begegnungen: Weit vor dem Dorf erwarteten die Comunidades den Bischof mit Spruchbändern, Fähnchen und Gesängen. In Prozession gings zur Kapelle, die meisten aus Lehm mit Strohdach, wo sehr lebendige Messen, selten unter zwei Stunden, mit voller Beteiligung aller zelebriert wurden.

Insgesamt feierte der Bischof in diesen zwei Tagen vier Messen und nahm an weiteren fünf Versammlungen teil.

Wenn keiner da, war, Weidezäune und Gatter aufzumachen, die manchmal den Weg versperrten, um das Rindvieh zusammenzuhalten, musste eben der Bischof aussteigen, um auch diesen Dienst als wahrer Hirte zu verrichten.

Nachts wurde dann in der Hängematte geschlafen. Auch der Bischof. Aber er ist es ja gewohnt. Im Interior existieren ja kaum Betten.

Der Sonntag begann früh mit einer Eucharistiefeier im Stadtbereich in der Kapelle “Zum Heiligen Vinzenz Pallotti” mit anschliessendem gemeinsamen Frühstück. Im weiteren Verlauf des Vormittags stellten die verschiedensten Gruppen der Pfarrei die Arbeit ihrer Gruppe vor: Da wir ja unzählig viele Gruppen haben (Kinderpastoral, Jugendpastoral, Familienpastoral, Dízimopastoral, Männerrosenkranz, sechs Frauenbunde, Gruppe der Katechisten für Tauf-, Erstkommunion- und Firmvorbereitung, zehn Chöre verschiedenster Grösse und Zusammensetzung, Gottesdienstvorbereitungsgruppen, Gruppe der Kommunionhelfer und Krankenbesuchsdienst, 83 Strassengruppen [die sich allerdings nur alseine Gruppe vorstellten!], Ministranten, Gebetsgruppen, und weitere, dauerte das den ganzen Vormittag.

Anschliessend setzten wir uns alle in einer Runde zusammen, wo weitere Fragen geklärt wurden, und der Bischof fragen und antworten konnte. Mit einem gemeinsamen Mittagessen schlossen wir diesen Teil ab. Um 17Uhr hielt er die Abendmesse in der Pfarrkirche São Raimundo, wo er der ganzen Pfarrei für die herzliche Aufnahme dankte, und uns animierte, unseren Weg weiter im Zeugnis der Liebe und Gerechtigkeit Gottes zu gehen. Und mit diesen Worten verabschiedete er sich und fuhr in die 60 km entfernte Bischofsstadt Coroatá zurück.

Seine liebe Art, sein Mensch-Sein, seine aufmunternden Worte, seine lobenden Gesten, mit denen er vor allem die einfachen und armen Menschen aufmöbelte, seine Geduld und seine demütige Haltung hinterliessen einen bleibenden positiven Eindruck, und begeisterten aufs neue unsere Leute, weiterhin im Weinberg des Herrn zu pflanzen und sich einzusetzen für Reich Gottes, wie es der Bischof lebt.

Eine menschliche Kirche, die den Menschen Heimat und Sicherheit schenkt,
in der die Armen sich angenommen und wohlfühlen,
wo Wunden heilen und Ängste verfliegen,
wo Solidarität gross geschrieben wird 
und keiner – wie in der Gesellschaft – ausgeschlossen ist,
eine Kirche, in der alle gleich sind,
die lebendig ist und die die Würde aller respektiert,
die Stimme der Armen und Verteidigerin der Rechtlosen ist,
verfolgt, belächelt,
aber unbeirrt ihren Weg geht,
weil sie erfahren hat, dass es der Weg in die Freiheit, zum Leben ist,
eine Kirche, die bezeugt, 
dass wir nicht an abstrakte Formeln glauben, 
sondern an Gott, der Mensch geworden ist und Mensch bleibt, 
eine Kirche, deren Stolz und Reichtum nichts anderes ist, 
als der Mensch, der in Würde lebt,
das ist die Kirche, von der wir nicht nur träumen, 
sondern die wir existentiell erfahren dürfen,
die Kirche die Jesus mit seinem Kommen gegründet hat und in der wir konkret leben,
Zeichen des Lebens, der Gerechtigkeit, der Wahrheit und des Friedens.

Ein gesegnetes Fest der Menschwerdung Christi und Gottes Segen im Neuen Jahr 2018.

Sepp Wasensteiner, SAC


Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise