Molekularbiologie

Aus Schäfer SAC
Version vom 11. Oktober 2020, 12:17 Uhr von Klaus (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „ [https://www.geo.de/magazine/geo-kompakt/5204-rtkl-molekularbiologie-die-uhr-den-genen Henning Engeln: Molekularbiologie: Die Uhr in den Genen] Die Molekular…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Henning Engeln: Molekularbiologie: Die Uhr in den Genen

Die Molekularbiologie vermag zu sagen, "wie eng zwei Lebewesen miteinander verwandt sind und wer von wem abstammt. Seit es zudem möglich ist, Erbsubstanz aus jahrzehntausendealten Knochen zu gewinnen, lassen sich in diesen Vergleich sogar die Gene längst ausgestorbener Menschenarten einbeziehen."

Und so hat die genetische Analyse (auch „molekulare Uhr“ genannt) bereits etliche neue Erkenntnisse geliefert:

  • Der letzte gemeinsame Vorfahr von Mensch und Schimpanse muss vor fünf bis sieben Millionen Jahren gelebt haben.
  • Alle heutigen Menschen sind eng miteinander verwandt und stammen von einer „Ur-Eva“ ab, die vor rund 200.000 bis 150.000 Jahren in Afrika lebte. Eine kleine Gruppe dieser frühen Afrikaner verließ später den Kontinent und wurde zu den Ahnen der heutigen Europäer, Asiaten und Australier.
  • Neandertaler haben sich offenbar vor mindestens 80.000 Jahren im Nahen Osten mit dort ebenfalls lebenden Vertretern der Art Homo sapiens vermischt.
  • In einer Epoche irgendwann vor 48 000 bis 30 000 Jahren lebte im Altai-Gebirge in Zentralasien ein Mensch, der einer noch unbekannten Spezies angehörte. Von dem Individuum wurde bislang nur ein Fingerknochen in der sibirischen Denisova-Höhle gefunden.

Jeder Mensch trägt in fast jeder Zelle seines Körpers das gesamte Erbgut. Es besteht aus rund 23 000 Genen und etwa drei Milliarden genetischen Bausteinen (oder „genetischen Buchstaben“). Bei jeder Zellteilung und Vermehrung von Lebewesen muss die riesige Anzahl an Bausteinen der DNS kopiert werden.

Solange eine Gruppe von Lebewesen sich sexuell fortpflanzt und in dem gleichen Gebiet lebt, werden alle entstehenden Mutationen ständig durchmischt. Sobald sich aber zwei Gruppen voneinander trennen, startet die Uhr.

Die Mutationen häufen sich nun in jeder Gruppe separat an und führen zu Unterschieden zwischen ihnen. Diese Unterschiede werden immer größer, je länger die beiden Populationen voneinander getrennt sind. Analysieren Forscher nun die DNS zweier Lebewesen und vergleichen sie, können sie aus der Anzahl der Unterschiede zurückrechnen, wann sich die Vorfahren der beiden getrennt haben.

Allerdings ist das in der Praxis ungemein schwierig, denn die genetische Uhr kann an unterschiedlichen Stellen des Erbgutes unterschiedlich schnell ticken. Betrifft eine Mutation zum Beispiel ein lebenswichtiges Gen, stirbt der entsprechende Träger. Nachteilige Mutationen werden also durch die natürliche Auslese schnell wieder herausgesiebt und können sich nicht anhäufen. Andere Abschnitte auf dem Erbgut haben dagegen keine erkennbare Funktion; hier zeigen die Mutationen keine Wirkung; sie können sich langsam und stetig ansammeln.

Zudem befindet sich ein kleiner Teil der Erbsubstanz nicht im Zellkern, sondern in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle, die zu Hunderten im Zellplasma vorkommen und eine eigene, recht kurze DNS haben. Weil bei ihnen die Reparatur von Kopierfehlern nicht so gut funktioniert wie im Zellkern, häufen sich die Fehler dort viel stärker an – ihre Uhr läuft schneller.

Zudem existiert die Mitochondrien-DNS in vielen Kopien in jeder Zelle. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit groß, auch in sehr alten Knochenrelikten, deren Erbkern-DNS bereits ihre Struktur verloren hat, noch intakte Exemplare davon aufzuspüren. Es war deshalb Mitochondrien-DNS, die Molekularbiologen erstmals aus den Knochen eines mehr als 30.000 Jahre alten Neandertalers gewinnen konnten. Das 1997 veröffentlichte Ergebnis: Neandertaler und Homo sapiens haben sich vor rund 600.000 Jahren voneinander getrennt.

Der Vergleich von drei 38 000 bis 44 000 Jahre alten Neandertal-Genomen aus Kroatien mit fünf heutigen Menschen im Mai 2010 zeigte: Einige genetische Sequenzen zwischen Neandertalern, Europäern und Asiaten stimmen stark überein. Es gibt offenbar keinerlei genetische Vermischungen zwischen den Neandertalern und heutigen afrikanischen Bevölkerungen. Daraus schließen die Forscher: Vor etwa 80 000 Jahren trafen im Nahen Osten Neandertaler mit jenen Homo-sapiens-Gruppen zusammen, die aus Afrika ausgewandert waren. Es gab einige sexuelle Kontakte, sodass Neandertaler-DNS in das Erbe dieser modernen Menschen geriet.



Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise